Genussvolle Landgeschichte(n): Der Herr Johann
Auf den zweiten Blick: Erzherzog Johann in Thernberg
Folke Tegetthoff erzählt vom Leben und Wirken des Erzherzog Johann in Thernberg.
Der „Genussvolle Blick“ beginnt diese Geschichte keck mit „Es war einmal“. Damit ein für alle Mal klargestellt wird, dass es sich hierbei um ein wahres Märchen handelt. Er bittet als Erstes den Helden zu uns – natürlich einen waschechten Prinzen!
Aber dieser Prinz, der in unserem Märchen die Hauptrolle spielen wird, ist nicht einer, der sein Prinzsein mit Ausschweifungen, Intrigen und Gelagen zelebriert, nein, er nimmt sich das Wort „Adel“ zu Herzen und übersetzt es richtig: nämlich mit „edel zu sein“. Großmut und Weisheit, Demut und Weitsicht, das Streben nach Höherem und das Erkennen der eigenen Kleinheit. „Von Gottes Gnaden“ ist für ihn Auftrag und nicht Rechtfertigung.
Hochherrschaftliches Protzen findet üblicherweise in gigantischen Schlössern statt, er aber, gerade mal 25 Jahre ist er alt, wählt als Ort für das wahrlich märchenhafte Geschehen ein besonderes, außergewöhnliches Stück Natur: Nach Thernberg, ins Niederösterreichische, auf halbem Weg ins Steirische, kommt er. Dort pflanzt er sich hin, dort schlägt er Wurzeln, aus denen jener Baum wachsen wird, dessen Früchte noch heute, nach über 200 Jahren, das Leben der Menschen nachhaltig bewegen.
Der Franz, einer der Bediensteten von Schloss und Herrschaft Thernberg, erinnert sich: „Als er ausg’stiegen ist aus der Kutsche und auf uns zukommt, so gar nicht großkopfert gekleidet, wie man’s g’wöhnt war von denen Herrschaften, hat er einem jeden die Hand g’schüttelt und g’sagt: Ich bin der Herr Johann. Ja, so war er!“
Die Menschen im Dorf meinen natürlich, dass mit der Ankunft eines waschechten Prinzen sich alles ändern, nun ein prunkvolles Leben in Saus und Braus einziehen würde. Aber der Herr Johann sollte den Thernbergern ein völlig anderes Märchen erzählen.
„Ja, der Herr Johann“, berichtet die Hadlerbäurin. „Er hat nicht nur von uns g’nommen, sondern hat uns so viel gegeben. Er hat uns zeigt, wie wir die Äcker bestellen sollen, damit die Ernte besser wird. Hochg’scheite Leut’ aus Wien und von sonstwo hat er dahergebracht, die uns erklärt haben, wie wir unser Obst veredeln können. Auf seinen Höfen wurde probiert und getüftelt. Oft ist er selbst gekommen, gemeinsam mit dem anderen Johann, dem G’scheiten aus Wien, der des alles g’studiert hat und der sein Verwalter war, und dann hamma alle z’samm dischkuriert.“
„Und vergiss nicht die G’schicht mit den Erdäpfeln“, lacht ihr Mann, der Hadlerbauer. „Er ist ja immer mit was Ausländischem daherkommen, der Herr Johann. Und einmal war ma alle Bauersleut’ zum Essen eing’ladn im Gutshof. Da hamma zum ersten Mal Kartoffel g’essen. Wir ham vielleicht g’schaut, wie er uns erzählt hat, woher die kommen und wie gut die sind, und dass wir die anbauen sollen.“
Und weil der Herr Johann wusste, dass Märchen nicht nur herzige Kindergeschichten, sondern Stoff fürs ganze Leben sind, konnten die Thernberger in dem großen Bilderbuch des Herrn Johann bald auch noch ganz andere Geschichten lesen: Vom neuen Schulgebäude, das er für die Dorfkinder einrichten lässt, denn nur Bildung, sagt der Prinz und hat dabei wohl an seine Großmutter gedacht, macht aus der Gegenwart eine blühende Zukunft. Vom Schulfonds, den er einrichtet, damit selbst die Ärmsten, so sie fleißig sind, eine Schule abschließen können. Blättert man weiter, erfährt man von seinen Sammlungen über Botanik und Sternkunde, von Zeichnungen von Tieren, Werkzeugen bis zu Trachten, die hier auf seinem geliebten Schloss Thernberg zu einem großen Ganzen zusammengefügt wurden. Aus Wien, aus Prag und gar aus Venedig holt der Prinz seine Kammermaler in die Bucklige Welt, um diesem, seinem wundersamen Märchen auch noch Bilder über Volkskultur und Brauchtum hinzuzufügen.
Viele Seiten ist es dick, dieses großartige Bilderbuch des Herrn Johann, das von seinem Leben hier in diesem kleinen Dorf, das für ihn zur großen Welt geworden war, erzählt. Und wer weiß, ob es nicht noch um viele Seiten dicker geworden wäre, hätte er sich nicht verliebt, in dieses einfache Mädchen aus der Steiermark. Hätte er sie nicht geheiratet und wäre er nicht nach Graz gezogen, um dort ein anderes, ein weiteres großartiges Bilderbuch des Lebens zu schreiben, das des Erzherzog Johann …